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  • AutorenbildMarit Persiel

Monolog - "Gleichgültigkeit"

Diesen Text habe ich im Rahmen des Theaterprojekts 'The Punch' am Theater an der Glocksee geschrieben und auf der Bühne performt.


 

Kommt es in der Welt zu Umstürzen, zu Krieg und Hass, dann ist es schwer alles als gleichermaßen gültig anzusehen. Es zwängt sich mir auf, dass da doch eine Unterscheidung sein muss. Aber es ist alles zeitgleich, gleichermaßen da, es ist gleich, wir sind gleich, es ist gültig, es ist doch gleichgültig.

Oder nicht?


Es beginnt zu drehen, sich zu verzweigen, die Gedanken nehmen immer neue Wege und Abzweigungen, ein riesiges Gewirr, ein Labyrinth im Kopf, dem niemand mehr entkommen kann. Es ist komplex und groß und schwer und undurchschaubar.


Gleichgültig. Das ist mir eigentlich egal. Die sind mir egal. Alles ist mir egal. Das interessiert mich nicht. Die interessieren mich nicht. Die sind selber Schuld.


Sind sie das? 


Ich spüre eine Leere in mir. Ein Nicht-Sein, ein Loch, das gurgelnd alles verschluckt, das in mir ist: Gefühle, Wünsche, Ziele, Ideen…

Und übrig bleibt: Weiß ich nicht. Ist ja auch egal. Das ist mir gleichgültig.


Übrig bleibt mit leerem Blick all die Bilder zu konsumieren, zu scrollen und wischen und durchzulesen, was die schwarzen Buchstaben auf weißem Bildschirm mir erzählen von der Welt. Und das sind so oft nur grausame und gewaltvolle Dinge.

Ist doch egal, wenn ich das lange genug mache, dann fühl’ ich da auch nichts mehr zu. 

Dann kann ich durch die Stadt gehen und nicht mal hinsehen, wenn da ein Mensch sitzt und mich um eine Spende bittet. Ich spende schon genug, per Dauerauftrag und steuerlich absetzbar.

Dann kann ich durch die Stadt gehen und muss nicht mal lächeln, wenn da ein Mensch mir entgegenkommt. Ich lächel schon genug, jeden Tag, wenn mein Chef das Büro betritt.

Dann kann ich durch die Stadt gehen und muss nicht anpacken, wenn da eine Person einen schweren Koffer die Treppen hochhieft. Ich packe schon genug an, im Fitnessstudio an den Hanteln.


——-


Ey aber das bin ich nicht. Das will ich nicht. 

Ich bin die, die hinsehen muss. Die die alles wahrnimmt, ich bin die, die nicht jeden Tag die Nachrichten schauen kann und nicht täglich repostet und scrollt, weil ich nämlich noch alles fühlen kann, was da in der Welt geschieht. Ich fühle dann Angst und Trauer und Wut und Ohnmacht und Hilflosigkeit und manchmal kann ich das aushalten, aber manchmal eben auch nicht. Dann les ich das nicht und guck mir die Bilder auch einfach nicht an. 

Und das kann man als Schwäche empfinden, oder als Mut, wenn man sieht, dass ich das tue, damit ich die sein kann, die ich bin.

Ich bin nämlich die, die mit dem einsamen, kauzigen Nachbar auf halber Treppe ein Gespräch über schwule Erpel führt, während die anderen gehetzt an uns vorbeilaufen.

Ich bin die, die dem Menschen mit dem traurigen Blick auf der Straße ein Lächeln schenkt

und ich bin die, die sich beeilt um der Frau mit den Tüten die Tür aufzuhalten. 


Ich will mich nicht schützen durch Gleichgültigkeit. 

Ja, es wäre einfacher, wenn alles egal ist und sich kein Gefühl mehr im Innern regt.

Es wäre einfacher, wenn die gewaltvollen Menschen und Bilder nicht mehr in mir auslösen als stumme Leere.


Aber dann würde ich auch nichts mehr fühlen, wenn die Sonne warm auf meine Haut scheint, wenn der Mensch, den ich liebe mich in den Arm nimmt, wenn Kunst mich berührt durch Poesie.


Ich will nicht gleichgültig sein gegenüber dem Leben, ich will wahrnehmen und mich interessieren, doch dafür muss ich entscheiden, was und wem ich zuhören kann.

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